Lückenhafte Beweiswürdigung führt zum Erfolg der Revision

Bei einer schwierigen Beweislage muss das Gericht eine lückenlose Beweiswürdigung in den Urteilsgründen aufzeigen.Der (angeblich) Geschädigte ist in einem Strafprozess meist der wichtigste und häufig der einzige Belastungszeuge. Umso wichtiger ist es, dass das Gericht dessen Aussage hinterfragt und – soweit vorhanden – mit weiteren Beweismitteln abgleicht. Vor allem wenn der Zeuge sich hinsichtlich wichtiger Tatumstände widerspricht und keine Angaben zur Wiedererkennung des Angeklagten im Urteil vorhanden sind, ist die Beweiswürdigung lückenhaft und kann mit der Revision angegriffen werden, da ein Verstoß gegen § 261 StPO vorliegt. Dieser Fehler führte nun erneut in einem Strafverfahren zum Erfolg der Revision vor dem BGH.

Der Angeklagte soll den angeblich Geschädigten unter Ausnutzung eines Überraschungsmomentes einen 50-Euro-Schein aus der Hand gerissen haben. Anschließend soll er den Geschädigten mit einem Messer bedroht und ihn dabei am Finger verletzt haben, so zumindest der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 StGB).

Bezüglich des Tatorts hatte der Zeuge jedoch im Ermittlungsverfahren falsche Angaben gemacht und diese sogar mit einer Skizze unterstrichen. Erst später korrigierte der Zeuge seine Zeugenaussage und behauptete nunmehr einen Tatort, an dem der Angeklagte bereits andere Straftaten begangen haben soll. Nach eigenem Bekunden wusste der Zeuge davon, dass gegen den Angeklagten noch wegen weiterer Straftaten ermittelt wird. Das Gericht hätte hier kritischer die Auswechslung des Tatortes im Rahmen der Beweiswürdigung in den Gründen des Strafurteils betrachten müssen.

Auch schweigt das Urteil der Strafkammer darüber, wie der Zeuge in der Hauptverhandlung zur Wiedererkennung des Angeklagten ausgesagt hatte. Es ergibt sich aus dem Urteil lediglich, dass er den Angeklagten auf Fotos bei der Polizei identifiziert hatte.

Darüber hinaus hat das Landgericht nicht angegeben, aus welchen Gründen es auf eine DNA-Untersuchung des beim Angeklagten aufgefundenen Messers verzichtet hatte. Zwar hätte das Fehlen von DNA des Opfers die Täterschaft nicht ausgeschlossen. Bei einer so unsicheren Beweislage hätte das Gericht jedoch seine Erwägungen bezüglich der Auswertung im Einzelnen mitteilen müssen. Die Beweiswürdigung war damit lückenhaft.

Die durch den Rechtsanwalt begründete Revision hat deswegen vor dem Bundesgerichtshof insoweit Erfolg.

Dieser Fall zeigt erneut, wie wichtig im Strafrecht das Aufdecken von Widersprüchen in Zeugenaussagen für die spätere Revision ist. Ein guter Strafverteidiger deckt Widersprüche in den Zeugenaussagen im Hinblick auf eine spätere Revision durch entsprechende Fragetechnik jedoch nicht nur auf, sondern sorgt mit geeigneten Beweisanträgen auch dafür, dass der Revisionsanwalt auf die Widersprüche durch das Hauptverhandlungsprotokoll zugreifen kann. Ein sog. „falscher Film“ der Strafkammer im Urteil kann so in vielen Fällen vermieden werden.

Die Revision gehört zur Königsdisziplin des Strafrechts. Die Erfahrung des Strafverteidigers als Revisionsanwalt, am besten ein Fachanwalt für Strafrecht, beeinflusst die Erfolgsaussichten maßgeblich. Hat ein guter Anwalt in der Tatsacheninstanz verteidigt und die beste Strategie für die Strafverteidigung bereits mit Blick auf eine mögliche Revision gewählt, so erhöht dies die Chancen zusätzlich. Im Falle einer dennoch erfolgten Verurteilung sollte dann bei fehlerhaftem Urteil mit einem in der Revision im Strafrecht erfahrenen Anwalt die Aufhebung des Urteils und je nach Fallgestaltung die Chance auf einen Freispruch in der neuen Tatsacheninstanz das maßgebliche Ziel sein.

BGH, Beschluss vom 15. Mai 2013, Az.: 5 StR 123/13