Psychische Krankheiten und der Vorsatz

Der Vorsatz spielt in vielen Fälle eine entscheidende Frage. Insbesondere bei Tötungsdelikten kann die Frage einen erheblichen Einfluss auf die Strafe nehmen. Im vorliegenden Fall stand ein versuchter Mord im Raum. Ein Mann zündete sein Wohnhaus an, in dem sich noch Nachbarn von ihm befanden. Fraglich war jedoch, ob der Täter dahingehend tatsächlich einen Vorsatz bezüglich der Tötung seiner Nachbarn hatte.

Das Landgericht Neuruppin hatte den Angeklagten wegen des Brandes nur wegen schwerer Brandstiftung verurteilt. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Sie verlangte darin die Verurteilung wegen besonders schwerer Brandstiftung und wegen tateinheitlich begangenen versuchten Mordes. Doch die Revision der Staatsanwaltschaft hatte keinen Erfolg. Dem Angeklagten konnte ein Vorsatz hinsichtlich der versuchten Tötung nicht nachgewiesen werden.

Tötungsvorsatz beim Anzünden eines Mehrfamilienhauses?
Der Angeklagte hatte seinen Arbeitsplatz verloren und geriet dadurch in eine schwere Depression, die er mit erhöhtem Alkoholkonsum zu bewältigen suchte. Er fasste vor diesem Hintergrund den Entschluss sich zu töten und zuvor seinen persönlichen Lebensraum zu vernichten. Eines Abends setze er betrunken mit Hilfe von Benzin seine im Erdgeschoss eines zweigeschossigen Wohnhauses gelegenen Wohnung in Brand. Er wartete hierfür, bis seine Nachbarn zu Bett gegangen waren, um ein schnelles Herbeirufen der Feuerwehr zu vermeiden. Danach verließ er das Haus, um sich mit seinem Pkw umzubringen. Wie von ihm erwartet, brannte seine Wohnung samt Inventar vollständig aus. Über das Treppenhaus verbreitete sich das Feuer im Haus und griff sogar auf den Dachstuhl des zweigeschossigen Nachbarhauses über. Die Bewohner der beiden Häuser konnten sich unverletzt in Sicherheit bringen. Sein Versuch sich mit dem Pkw das Leben zu nehmen scheiterte ebenfalls.

Verminderter Steuerungsfähigkeit auf Grund von Depressionen und Alkohol
Ein in der Hauptverhandlung vom Gericht herangezogener psychiatrischer Sachverständige bestätigte, dass der Angeklagte sich zur Tatzeit in einer durch zunehmende Angst, Depression und Gekränktheit gekennzeichneten besonderen psychischen Lage befunden habe. In Verbindung mit der enthemmenden Wirkung des Alkohols begründete dies einen Zustand der verminderter Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB.

Eine Strafbarkeit wegen versuchten Mordes hat das Landgericht daraufhin verneint, weil nicht sicher feststellbar gewesen sei, dass der Angeklagte in dem Bewusstsein gehandelt habe, Menschen in die Gefahr des Todes zu bringen. Unter normalen Umständen müsse man zwar davon ausgehen, dass ein Feuer in einem Mehrfamilienhaus die dort wohnenden Menschen in Todesgefahr bringe. Der Angeklagte habe jedoch im vorliegenden Fall wegen seines Selbsttötungsentschlusses das Schicksal seiner Nachbarn aus seinen Überlegungen vollständig ausgeblendet- Dieser Auffassung schloss sich auch der Bundesgerichtshof an. Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte keinen Erfolg.

Wenn Personen zu Tode gekommen sind oder zumindest die Gefahr des Todes bestand, muss immer ganz genau festgestellt werden, ob der Täter tatsächlich mit Tötungsvorsatz handelte. Stehen psychische Beeinträchtigungen wie Depressionen oder Alkohol im Raum, wird außerdem regelmäßig ein Sachverständiger zur Klärung der Lage eingeschaltet werden müssen. Denn insbesondere starke psychische Störungen können in vielen Fällen bereits einen Vorsatz entfallen lassen. Dies machte der BGH mit dieser Entscheidung nochmals deutlich.

BGH, Urteil vom 11.01.2017, Az.: 5 StR 409/16