Ablehnung von befangenen Sachverständigen im Strafverfahren

Viele Prozesse behandeln Themen, von denen Juristen nur eingeschränkte Kenntnis haben. In diesen Fällen muss das Gericht auf externe Sachkunde zurückgreifen. Dies erfolgt durch einen Sachverständigen, der dem Gericht beispielsweise in einem Gutachten die Verletzungen des mutmaßlichen Opfers, die Blutalkoholkonzentration des Täters oder möglicherweise schuldausschließende psychische Erkrankungen aufzeigt. Der Sachverständige kann also in ganz erheblichem Umfang den Prozessausgang beeinflussen. Deswegen kann er auch nach den gleichen Maßgaben wie ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht Ulm den Angeklagten unter anderem wegen vorsätzlicher Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendete sich der Angeklagte mit seiner Revision und hatte Erfolg. Bemängelt wurde unter anderem, dass das Tatgericht § 74 StPO verletzt habe. Dieser Paragraph sieht vor, dass ein Sachverständiger aus denselben Gründen abgelehnt werden kann wie ein Richter.

Ablehnung wegen Befangenheit
Der Angeklagte hatte den mit seiner forensisch-psychiatrischen Begutachtung beauftragten Sachverständigen in einer Sitzung wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hatte er sich im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Sachverständige sich an diesem und an dem davor liegenden Sitzungstag immer wieder längere Zeit intensiv mit seinem Handy beschäftigt haben soll. Diese Befassung mit sachfremden Tätigkeiten lasse besorgen, dass dem Sachverständigen für die Gutachtenerstattung wesentliche Gesichtspunkte entgangen sein könnten, was von seinem Desinteresse an der Beweisaufnahme und den Belangen des Angeklagten zeuge.

Das Landgericht hatte den Antrag als unzulässig, da verspätet, verworfen. Das Zuwarten der Verteidigung mit der Stellung des Ablehnungsgesuchs bis zur Aufforderung des Vorsitzenden an den Sachverständigen, sein Gutachten zu erstatten, genüge den sich aus § 25 Abs. 2 StPO ergebenden Anforderungen nicht. Der Antrag sei damit nicht unverzüglich im Sinne dieser Vorschrift gestellt worden.

Unverzüglichkeitsgebot nicht verletzt
Der BGH hat nun entschieden, dass die Zurückweisung fehlerhaft gewesen sei. Das Landgericht durfte den Antrag nicht als verspätet ablehnen. Das Unverzüglichkeitsgebot des § 25 Abs. 2 StPO findet anders als bei der Richterablehnung für die Ablehnung von Sachverständigen keine Anwendung. In Ermangelung solcher Ausschlussfristen sieht § 83 Abs. 2 StPO ausdrücklich noch die Möglichkeit der erfolgreichen Sachverständigenablehnung nach Erstattung von dessen Gutachten vor. Die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs war im vorliegenden Fall daher verfahrensfehlerhaft.

Der Befangenheitsantrag kann daher auch erst nach der Erstattung des Gutachtens gestellt werden. Dies hat für den Angeklagten und seinen Rechtsanwalt den Vorteil, dass zuerst das Ergebnis des Gutachtens abgewartet werden kann und daraufhin entschieden werden kann, ob tatsächlich eine Befangenheit zu befürchten ist.

BGH, Beschluss vom 10.1.2018, Az.: 1 StR 437/17