Erfolgreiche Revision: Strafbefreiender Rücktritt vom versuchten Totschlag

Nicht immer wird bei einer Straftat auch der Erfolg der Tat erreicht. Gelingt der Erfolgseintritt nicht, so liegt nur eine versuchte Straftat vor – im Falle eines Tötungsdeliktes, bei dem die angegriffene Person nicht verstirbt, also zum Beispiel ein versuchter Mord oder ein versuchter Totschlag. Der Gesetzgeber hat bei vielen Straftatbeständen bereits den Versuch mit Strafe bedroht.

Wer sich aber noch währenddessen umentscheidet und die geplante Tat abbricht, wird unter bestimmten Voraussetzungen nicht bestraft. In solchen Fällen spricht man gemäß § 24 StGB von einem sogenannten „strafbefreienden Rücktritt“. Dies gilt für alle Versuchsstraftaten und selbst der Versuch jemanden zu töten, kann straffrei bleiben, sofern der Täter erfolgreich von der Tat zurücktritt. Diese Regelungen gilt vor allem dem Opferschutz, da der Täter jederzeit eine Motivation haben soll, die Straftat nicht zu vollenden.

Wie die Voraussetzungen für einen derartigen strafbefreienden Rücktritt bei einem versuchten Totschlag aussehen, hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem aktuellen Beschluss nochmal für alle Gerichte klargestellt. Der Entscheidung lag dabei folgender Fall zugrunde:

Der Beschuldigte hatte nach einem Gartenfest Streit mit dem später Geschädigten. Dabei erteilten sich beide jeweils auch einen Faustschlag am Kopf. Daraufhin zückte der Beschuldigte ein Messer, welches er unmittelbar zuvor aus einer Gartenhütte mitgenommen hatte, um sich im Zweifelsfall gegen den Geschädigten und zwei weitere Zeugen durchsetzen zu können. Der Beschuldigte stach den Geschädigten damit mindestens 10 cm tief und mit Wucht in die rechte Flanke. Dieser schrie in Hörweite der zwei Zeugen, dass er gestochen worden sei, woraufhin der Beschuldigte von weiteren Verletzungshandlungen absah und floh.

Das Landgericht hatte den Beschuldigten zunächst wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Den erforderlichen Vorsatz für den versuchten Totschlag bejahte es, weil der Beschuldigte in dem Moment wusste, dass der wuchtige Stich mit dem Messer lebensbedrohlich war und er den möglichen Tod seines Kontrahenten gleichgültig in Kauf nahm. Dies reicht auch allgemein aus, um von einem vorsätzlichen Tötungsversuch auszugehen. Obwohl der Beschuldigte kein weiteres Mal zustach, nahm das Landgericht keinen strafbefreienden Rücktritt an. Der Beschuldigte legte daraufhin erfolgreich Revision beim BGH ein. Die Richter in Karlsruhe fassten noch einmal zusammen, unter welchen Voraussetzungen ein strafbefreiender Rücktritt in Betracht kommt.

Wichtige Unterscheidung ist dabei, ob der Versuch bereits beendet oder nicht beendet war. Von einem beendeten Versuch wird dann gesprochen, wenn der Täter meint, er hätte bereits alles Notwendige für den Erfolgseintritt getan. In diesem Fall muss er aktive Rettungsbemühungen (wie z. B. Verständigung eines Notarztes) unternehmen. Geht der Täter dagegen davon aus, dass er noch nicht alles getan hat, um den Erfolg herbeizuführen, so reicht das reine Ablassen vom Täter aus. Bei einem nicht beendeten Tötungsversuch kann ein Täter also viel einfacher, durch bloße Passivität, strafbefreiend zurücktreten. Wichtig ist also immer, ob ein Versuch schon beendet ist oder nicht.

Das Landgericht war in diesem konkreten Fall zu dem Ergebnis gelangt, dass der Tötungsversuch beendet gewesen sein soll, da sich der Beschuldigte im Moment der Flucht und des Tatabbruchs keine Gedanken über den Zustand des Geschädigten gemacht habe, also gleichgültig hinsichtlich der möglichen tödlichen Folgen seiner Messerattacke gewesen sein soll. Mangels erforderlicher Rettungsbemühungen durch den Beschuldigten hatte das Landgericht einen Rücktritt deshalb verneint.

Der BGH war hingegen der Ansicht, dass der Tötungsversuch noch gar nicht als beendet angesehen werden konnte. Er kritisierte, dass das Landgericht nicht hinreichend die Gleichgültigkeit des Beschuldigten belegt hatte, nach welcher sich dieser angeblich keine Gedanken mehr über die weiteren Folgen seines Angriffs gemacht haben soll. Für einen beendeten Versuch muss die gedankliche Gleichgültigkeit aber positiv festgestellt und begründet werden. Ein Gericht darf nicht einfach annehmen, dass sich der Täter keine Gedanken mehr über den Zustand seines Angriffsopfers gemacht hat (so wie es das Landgericht getan hatte), sondern es braucht positive Anhaltspunkte dafür.  Da das Landgericht keine Feststellungen diesbezüglich gemacht hatte und der BGH selbst auch keine derartigen Feststellungen treffen konnte, kam nur ein unbeendeter Versuch in Betracht. Damit waren auch keine Rettungsbemühungen mehr seitens des Beschuldigten für einen Rücktritt erforderlich. Das Absehen von weiteren Messerstichen und die bloße Flucht durch den Beschuldigten reichten deshalb bereits aus, um strafbefreiend zurückzutreten. Der BGH hob den Schuldspruch wegen versuchtem Totschlag aus diesem Grund auf und änderte den Strafausspruch dahingehend.

Diese Entscheidung zeigt, dass Rücktrittskonstellationen höchst komplex sind und in der Revision immer eine besonders sorgfältige Überprüfung benötigen. In diesem Fall zeigt sich wieder, dass der Erfolg einer Revision gerade von einer genauen Prüfung abhängt. Rechtsanwalt Dr. Böttner hat auf dem Gebiet des Strafrechts Erfahrung von mehr als 15 Jahren und hat sich auf den Bereich des Revisionsrechts spezialisiert. Für eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihrer Revision können Sie gerne jederzeit Kontakt mit unserer Kanzlei aufnehmen.