Revision erfolgreich: BGH zum Rücktritt bei Totschlag

Steht der Vorwurf einer versuchten Straftat im Raum, ist bei der Revision auch stets an den (strafbefreienden) Rücktritt zu denken. Durch welche Handlung der Täter von der Straftat zurücktreten kann, hängt davon ab, ob es sich um einen beendeten oder unbeendeten Versuch handelt. Bei einem unbeendeten Versuch führt bereits nach § 24 I 1 Alt. 1 StGB allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum Rücktritt. Ist der Versuch beendet, muss der Täter hingegen gem. § 24 I 1 Alt. 2 StGB die Vollendung der Tat verhindern, um noch strafbefreiend zurücktreten zu können. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen einem beendeten und unbeendeten Versuch ist dabei das Vorstellungsbild des Täters unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung. Geht der Täter davon aus, nach der letzten Ausführungshandlung noch nicht alles Erforderliche zur Erfolgsherbeiführung getan zu haben, dies aber noch für möglich hält, handelt es sich um einen unbeendeten Versuch. Ein beendetet Versuch liegt im Gegensatz dazu vor, wenn der Täter denkt, bereits alles Erforderliche getan zu haben oder dies für möglich hält.

Weil das Vorstellungsbild des Täters damit für die Rücktrittsmöglichkeiten von der Tat von wesentlicher Bedeutung ist, muss das Gericht hierzu hinreichende Feststellungen im Urteil treffen. Wird dies versäumt, hält das Urteil einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. So war es auch in dem vorliegenden Fall, bei dem der Bundesgerichtshof (BGH) erneut an diese Grundsätze zum Rücktritt erinnerte.

Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Nach den Feststellungen des Landgerichts befanden sich der Angeklagte und der Geschädigte gemeinsam mit drei weiteren Zeugen in einer Gartenhütte, in der es zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten kam. Daraufhin verließ der Geschädigte mit zwei Zeugen die Gartenhütte und ging nach draußen. Der Angeklagte befürchtete, dass der Geschädigte ihn draußen schlagen wollte und nahm sich deshalb ein Messer aus der Gartenhütte mit. Als sich der Angeklagte und der Geschädigte draußen begegneten, verletzten sie sich gegenseitig mit Schlägen. Der Angeklagte stach dem Geschädigten dann seitlich in den Bauch. Dabei war ihm nach Feststellungen des Gerichts bewusst, dass der Stich tödliche Folgen haben könnte. Weil sich der Angeklagte vor den Reaktionen der zwei Zeugen fürchtete, ließ er von dem Geschädigten ab und ergriff die Flucht in den Wald. Das Landgericht erachtete hierin einen beendeten Versuch, von dem der Angeklagte durch die bloße Flucht nicht zurücktreten konnte.

Die Feststellungen des Gerichts zur Tätervorstellung erachtete der BGH jedoch als nicht ausreichend, um einen beendeten Versuch anzunehmen. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, festzustellen, in welchem Zustand sich der Geschädigte unmittelbar nach der Tat befand und wie der Angeklagte diesen Zustand wahrnahm. Dies hätte Rückschlüsse auf das Vorstellungsbild des Täters geben können, insbesondere ob der Angeklagte dachte, bereits alles Erforderliche zur Erfolgsherbeiführung getan zu haben. Eine kurze Feststellung des Gerichts im Urteil, dass der Geschädigte den Stich bemerkt hat, reicht hingegen nicht aus.

Aus diesen Gründen hob der Senat das Urteil mit sämtlichen Feststellungen auf. Das Verfahren wird nun an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen. Für den Angeklagten besteht nun doch die Möglichkeit, dass das Landgericht mit neuen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich um einen unbeendeten Versuch handelte, von dem der Angeklagte durch das Ablassen vom Geschädigten und Absehen von weiteren Tathandlungen zurücktreten konnte. Insofern darf der Angeklagte auf ein milderes Urteil hoffen, welches sich auf die gefährliche Körperverletzung beschränkt.

BGH, Beschluss vom 17.09.2019 – 1 StR 343/19