Revision: Fehlerhafte Strafzumessung bei vertypten Milderungsgründen

Allzu oft führt eine fehlerhafte Strafzumessung zur Aufhebung eines Urteils. Gerade wenn gesetzlich vorgesehene, sogenannte „vertypte“ Milderungsgründe vorliegen, kommt es schnell zu Fehlern bei der Strafzumessung.

Vertypte Milderungsgründe können nämlich nicht nur als allgemeines Strafzumessungskriterium im Sinne des § 46 Abs. 2 S. 2 StGB strafmildernd berücksichtigt werden. Sie können darüber hinaus auch zu einer Strafrahmenverschiebung gemäß § 49 Abs. 1 StGB, oder aber zu der Annahme eines (sonst nicht erreichten) minder schweren Falles sowie zur Ablehnung eines (sonst erreichten) besonders schweren Falles führen. Dabei muss das Gericht zu erkennen geben, dass es diese verschiedenen Möglichkeiten erkannt und sich damit auseinandergesetzt hat.

In einem aktuellen Fall, der den Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigte, unterlief dem Landgericht Schwerin ein solcher Fehler. Das Verfahren wurde gegen vier Angeklagte unter anderem wegen Betrugs in einem besonders schweren Fall gemäß § 263 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB geführt. Zwei der Angeklagten hatten sich selbst angezeigt und von Anfang an auch die Tatbeteiligung der Mitangeklagten offengelegt und damit wesentlich zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen. Diesen Umstand berücksichtigte das Gericht jedoch nur als allgemeines Strafzumessungskriterium strafmildernd zu Gunsten der zwei Angeklagten.

Der BGH beanstandete, dass hier zudem der vertypte Milderungsgrund des § 46b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB in Betracht gekommen wäre, der gerade für eine freiwillige Aufklärungshilfe bei schweren Straftaten eine Milderung vorsieht. Somit hätte das Gericht dann auch in Erwägung ziehen müssen, ob durch den vertypten Milderungsgrund möglicherweise der besonders schwere Fall des Betrugs (§ 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB) für die beiden Angeklagten abzulehnen sei oder ob eine Strafrahmenverschiebung nach § 46b I 1 Nr. 1, § 49 I StGB in Betracht komme. Dies geschah allerdings nicht, sodass die Revision der Angeklagten Erfolg hatte.

Darüber hinaus wies der BGH darauf hin, dass die Anwendbarkeit des vertypten Milderungsgrundes nach § 46b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB nicht schon zwingend deshalb ausgeschlossen ist, weil der eine Angeklagte erst nach der Selbstanzeige des anderen Angeklagten sein Wissen mit den Strafverfolgungsorganen teilte. Denn auch in diesem Fall können wichtige Tatsachen oder Beweise, die durch den Angeklagten kundgetan werden, wesentliches Gewicht für die Aufklärung der Tat des anderen Beteiligten haben.

Die jeweiligen Strafaussprüche für die Angeklagten wurden deshalb aufgehoben und zu neuer Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die Angeklagten dürfen nun auf eine mildere Strafe hoffen.

 

BGH, Beschluss vom 27.08.2019 – 1 StR 586/18