Rückrechnung der Blutalkoholkonzentration bei Trunkenheitsfahrt zwingend

Wer Auto fährt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, sein Fahrzeug sicher zu führen, dem droht wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Viel entscheidender ist für viele Angeklagte allerdings die Frage, ob sie bei einer Verurteilung auch ihren Führerschein abgeben müssen. Unter den Voraussetzungen des § 69 StGB ist dies grundsätzlich möglich. Besonders entscheiden ist in diesen Fällen immer, wie viel Promille der Fahrer zum Tatzeitpunkt hatte. Wird die Blutalkoholkonzentration erst zu einem späteren Zeitpunkt gemessen, ist eine Rückrechnung auf den Tatzeitpunkt erlaubt. Das Gericht muss sich bei § 316 StGB aber immer auch damit befassen, ob der Angeklagte überhaupt schuldfähig war. Ab einer Blutalkoholkonzentration von 2,0 Promille bei Tatbegehung liegt eine verminderte Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB nahe. Ab 3,0 Promille wird regelmäßig von der Schuldunfähigkeit ausgegangen. Damit musste sich nun auch das OLG Karlsruhe im Rahmen einer Revision befassen:

Das Amtsgericht Waldshut-Tiengen verurteilte den Angeklagten vorliegend wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe und entzog ihm die Fahrerlaubnis. Für die Wiedererteilung setzte es eine Sperrfrist von weiteren zwölf Monaten fest, nachdem der Führerschein des Angeklagten bereits seit zwei Monaten sichergestellt bzw. beschlagnahmt war. Gegen dieses Urteil hatte der Angeklagte Rechtsmittel eingelegt. Mit seiner Revision hatte er Erfolg. Das OLG Karlsruhe stellte fest, dass die tatrichterliche Beweiswürdigung an einem Darlegungsmangel leide und der Strafausspruch nicht frei von Rechtsfehlern sei.

Für „Nachtrunk“ müssen konkrete Anhaltspunkte bestehen
Das OLG Karlsruhe kritisierte vor allem, dass die Beweiswürdigung des Gerichts zu der Frage, ob der Angeklagte bereits am frühen Morgen auf dem Weg zur Arbeit alkoholisiert gewesen sei, nicht ausreiche. Um 13:52 Uhr kam die ihm entnommenen Blutprobe zum Ergebnissen, dass der Angeklagte 1,96 Promille hatte. In den Urteilsgründen wurde lediglich festgehalten: „Für einen Nachtrunk gab es keine Anhaltspunkte, insbesondere auch deshalb, weil sich der Angeklagte nach Aufgreifen in seinem Büro in ständiger, polizeilicher Begleitung befand.“ Das Gericht hatte dabei aber unberücksichtigt gelassen, dass er zwischen Fahrtende und „Aufgreifen in seinem Büro“ mehrere Stunden bereits an seinem Arbeitsplatz war und dabei Alkohol konsumiert haben könnte.

Die Überzeugungsbildung des Tatgerichts erfordert laut OLG Karlsruhe eine ausreichende objektive Grundlage. Die Urteilsgründe müssten insbesondere erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer nachvollziehbaren Beweisgrundlage beruhe und die vom Tatgericht gezogenen Schlussfolgerungen sich nicht lediglich als bloße Vermutungen erweisen würden.

Ab 3,0 Promille liegt Schuldunfähigkeit nahe
Nach ständiger Rechtsprechung sei zur Ermittlung der maximalen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit im Hinblick auf die Feststellung der Schuldfähigkeit anhand einer nach der Tat entnommenen Blutprobe zu Gunsten des Angeklagten für den gesamten Rückrechnungszeitraum ein stündlicher Abbauwert von 0,2 Promille und zusätzlich ein einmaliger Sicherheitszuschlag von 0,2 Promille anzusetzen. Auf den vorliegenden Sachverhalt angewendet, wäre von einer Blutalkoholkonzentration von 3,76 Promille zur Tatzeit auszugehen. Angesichts der wie dargestellt bestimmten Blutalkoholkonzentration von mehr als drei Promille läge die Annahme einer erheblichen Herabsetzung des Hemmungsvermögens zur Tatzeit nahe. Die Bejahung von Schuldfähigkeit bei hohen BAK-Werten bedarf jedenfalls näherer Begründung und setzt meist die Anhörung eines Sachverständigen voraus.

Zur konkreten Feststellung der Schuldfähigkeit sei daher eine tatgerichtliche Gesamtwürdigung der feststellbaren Alkoholaufnahme einerseits und der psychodiagnostischen Kriterien andererseits erforderlich. Wegen dieser Mängel wird das Urteil aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.11.2016, Az: 2 (4) Ss 633/16 – AK 226/16