Steuerhinterziehung: Einziehung setzt einen tatsächlich eingetretenen Vermögensvorteil voraus

Durch die Vorschriften der §§ 73 – 73e StGB soll sichergestellt werden, dass dem Täter die Vermögenswerte, die er „durch“ oder „für“ eine Tat erlangt hat, wieder entzogen werden. Der Verurteilte soll daher finanziell nicht von seinen Straftaten profitieren können. Umfasst ist davon jeder Vermögenswert, der dem Täter in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen ist und ihm so unmittelbar messbar zugutegekommen ist. Der Einziehung unterliegen nicht nur bestimmte Gegenstände wie bewegliche Sachen, Grundstücke oder dingliche Rechte, sondern auch geldwerte Vorteile, wie Dienstleistungen oder ersparte Aufwendungen oder sogar die Verbesserung einer Marktposition. Diese weitere Auslegung des „Erlangten“ führt mittlerweile zu teilweise uferlosen Einziehungsentscheidungen.

Nicht selten werden daher zu viele Vermögenswerte eingezogen, was zur Aufhebung des Urteils führt. So geschah es auch in einem Fall, mit dem sich der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich beschäftigte. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten unter anderem wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zog zudem einen Betrag von knapp 6 Millionen Euro als Wertersatz von Taterträgen ein. Der Angeklagte hat nach Feststellungen des Gerichts als Spediteur mittels von ihm eingesetzter LKW-Fahrer gefälschte Markenzigaretten, die in den Niederlanden produziert wurden, nach Deutschland und dann weiter nach Österreich transportiert. In weiteren Fällen wurden die Zigaretten innerhalb Deutschlands zu unbekannten Hintermännern gebracht, die diese gewinnbringend verkauften. In keinem der Fälle wurden Steuererklärungen abgegeben. Dadurch wurden etwa 6 Millionen Euro Tabaksteuer hinterzogen. Der Angeklagte erhielt von den Hintermännern insgesamt 8.000 Euro als Entlohnung ausgezahlt.

Gegen die Einziehung in Höhe von 6 Millionen Euro richtete sich der Angeklagte mit der Revision und hatte damit Erfolg – der BGH änderte das Urteil insofern ab, dass (nur) 8.000 Euro der Einziehung unterliegen. Der BGH führte dazu aus, dass bei Steuerdelikten die verkürzte Steuer das „erlangte Etwas“ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB sein kann, weil sich der Täter Aufwendungen für diese Steuern erspart. Dabei sei jedoch zu beachten, dass nicht schon die Verwirklichung eines Tatbestandes schlechthin eine Einziehung ermögliche, sondern darüber hinaus ein tatsächlich eingetretener Vermögensvorteil erforderlich sei.

Dafür ist entscheidend auf die Steuerart abzustellen. Im vorliegenden Fall handelte es sich um die Tabaksteuer als Verbrauch- bzw. Warensteuer. Dabei ergebe sich nach Ansicht des BGH ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur, wenn sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren, auf die sich die Steuerhinterziehung bezieht, einen Vermögenszuwachs erzielt. Dies kann beispielsweise in Form eines konkreten Vermarktungsvorteils erfolgen. Davon war in diesem Fall allerdings nicht auszugehen. Es befanden sich auch zu keinem Zeitpunkt die (unversteuerten) Erträge aus dem steuerbaren Vorgang im Besitz des Angeklagten.

Folglich stellen offene Steuerschulden nicht stets einen Vorteil nach § 73 Abs. 1 StGB über die Rechtsfigur der ersparten Aufwendungen dar. Es kommt immer darauf an, ob sich auch ein Vorteil im Vermögen des Täters widerspiegelt. Daher gehört zu einer umfassenden und seriösen Revisionsprüfung durch einen Rechtsanwalt auch immer die Prüfung der Einziehungsentscheidung. In vielen Fällen kann sich bereits durch diese Abänderung die Revision wirtschaftlich gelohnt haben.

 

BGH Beschluss v. 08.08.2019 – 1 StR 679/18