Strafzumessung: Erhebliche kriminelle Energie als Strafzumessungsgesichtspunkt

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit dem Strafzumessungsgesichtspunkt der „erheblichen kriminellen Energie“ beschäftigt. Zugrunde lag der Entscheidung eine Revision eines Angeklagten, der die fehlerhafte Strafzumessung rügte.

Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Strafschärfend hatte das Landgericht die erhebliche kriminelle Energie des Angeklagten gewertet. Diese Entscheidung begründete das Landgericht mit einem brutalen Vorgehen des Angeklagten: dieser soll mit einer Vielzahl von Schlägen auf ein zunächst stehendes und dann am Boden liegendes alkoholbedingt geschwächtes Opfer eingewirkt haben.

Der Strafzumessungsgesichtspunkt der erheblichen kriminellen Energie zeichnet sich dadurch aus, dass der für die Tatbegehung erforderliche Wille des Täters berücksichtigt wird. Der aufgewendete Wille ist zum Beispiel erhöht, wenn die Tat nicht nur auf einem spontanen Entschluss beruht, sondern sorgsam geplant und vorbereitet wurde. Für die Beurteilung der erheblichen kriminellen Energie hat der BGH in seiner Entscheidung festgestellt, dass die Umstände der Tat in Beziehung zum Vorgeschehen und der sich daraus ergebenen geistig-seelischen Verfassung des Angeklagten zu setzen sind.

Das Landgericht hätte in seiner Bewertung der erheblichen kriminellen Energie des Angeklagten berücksichtigen müssen, dass der Angeklagte alkoholbedingt enthemmt war und sich spontan zu der Tat entschlossen hatte. Das Landgericht hatte diese Strafmilderungsgründe lediglich isoliert an anderer Stelle zugunsten des Angeklagten angeführt. Das Gericht hatte aber nicht erkannt, dass es auch gegen eine erhöhte kriminelle Energie sprechen könnte. Aus diesem Versäumnis des Landgerichts ergibt sich ein Wertungsfehler hinsichtlich der erheblichen kriminellen Energie. Der BGH konnte nicht ausschließen, dass bei richtiger Beurteilung der erheblichen kriminellen Energie, die Strafe des Angeklagten niedriger ausgefallen wäre.

Aus diesem Grunde hebt der BGH den Strafausspruch des Landgerichts auf und gibt damit der Revision des Angeklagten statt. Dieses Verfahren wird nun an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen, wo erneut über die Strafe des Angeklagten zu entscheiden ist.

 

BGH, Beschluss vom 22.08.2019 – 1 StR 194/19