Voraussetzungen einer Verständigung vor Gericht

Grundsätzlich ist in geeigneten Strafverfahren eine sogenannte Verständigung nach § 257 c StPO möglich. Hierbei tauscht sich das Gericht mit den Verfahrensbeteiligten über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens aus. Der häufigste Anwendungsfall einer Verständigung ist die Einigung über das zu erwartende Strafmaß für den Fall eines Geständnisses.

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich jetzt mit der Frage beschäftigen, unter welchen Umständen eine solche Verständigung eventuell unwirksam sein könnte. Im vorliegenden Fall hatte sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte Revision gegen das Urteil eingelegt. Das Landgericht Aurich hatte den Angeklagten und mehrere Mitangeklagte unter anderem wegen verschiedener Drogendelikte zu Haftstrafen verurteilt.

Zuvor hatten sich die Strafverteidigung mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht verständigt. Die Angeklagten legten ein Geständnis ab, welches strafmildernd wirkte, im Gegenzug überschreitet das Gericht das vereinbarte Strafmaß nicht.

Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung und Wahrheitsermittlung
Die Staatsanwaltschaft macht nun aber in der Revision geltend, dass es zu einer unzulässigen Absprache im Sinne des § 257 c StPO gekommen sei. Das Landgericht habe sich durch die Abfassung des Verständigungsvorschlags und die anschließenden Erörterungen im Hinblick auf den Schuldspruch nach Meinung der Staatsanwaltschaft bereits „vorfestgelegt“. Das Gericht hätte sich dadurch in rechtswidriger Art und Weise über den Schuldspruch verständigt.

Diesem Vorwurf trat der BGH nun entgegen. Es läge keine unzulässige Verständigung vor. Das Gericht hätte bereits an zwölf Tagen verhandelt und Beweise erhoben. Damit habe das Landgericht seiner Aufklärungspflicht und dem Gebot der umfassenden Wahrheitsermittlung entsprochen. Bei der Anwendung von § 257 c StPO darf dem Angeklagten keine geständigen Einlassungen abverlangt werden, die einen Sachverhalt beinhalteten, den das Gericht als widerlegt oder jedenfalls nicht als beweisbar ansieht. Die Verständigung war im vorliegenden Fall zulässig. Dass der Schuldspruch gegen die Angeklagten im Wege einer rechtswidrigen Absprache festgelegt oder durch eine solche auch nur beeinflusst worden sei, sei gerade nicht ersichtlich.

Bindend für die Staatsanwaltschaft
Weiter machte die Staatsanwaltschaft geltend, dass sie sich nicht mehr an die Verständigung gebunden fühle. Auch dem trat der BGH entgegen. Nach Zustandekommen einer Verständigung durch Zustimmung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft zu dem Vorschlag des Gerichts, könne die Staatsanwaltschaft diese nachträglich nicht wieder einseitig zu Fall bringen. Dies sei insbesondere auch dann nicht mehr möglich, wenn die Staatsanwaltschaft die Voraussetzungen von § 257 c Abs. 4 StPO als gegeben ansieht. Dieser Absatz sieht vor, dass die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zur Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Die Staatsanwaltschaft könne ihr Zustimmung zu einer Verständigung laut BGH aber gerade nicht nachträglich widerrufen. Die Bindungswirkung der Verständigung könne ausschließlich durch eine Entscheidung des Tatgerichts aufgehoben werden, wenn die engen Voraussetzungen des § 257 c Abs. 4 StPO gegeben seien. Diese Konstellation liegt hier gerade nicht vor. Im vorliegenden Fall war die Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten also wirksam.

Auch der Staatsanwaltschaft steht das Rechtsmittel der Revision zur Verfügung. In diesen Fällen kann ein Rechtsanwalt ebenfalls Einfluss auf das Verfahren nehmen. In einem Schriftsatz an das Revisionsgericht kann den Argumenten der Staatsanwaltschaft entgegengetreten werden und die eigenen Rechtsansichten vorgebracht werden.

Rechtsanwalt Dr. Böttner berät sie gerne auch in Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt hat. Insbesondere ob es sich lohnt auch selbst die Revision einzulegen oder aber, ob lediglich der Revision der Staatsanwaltschaft entgegengetreten werden sollte. Dies hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

BGH, 3. Strafsenat, Urteil vom 01.12.2016, Az: 3 StR 331/16