Wiedererkennen eines Täters auf Fotos

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich mit der Frage befassen, ob es für eine Verurteilung genügen kann, wenn lediglich ein Zeuge den Angeklagten auf einem Lichtbild identifiziert. Grundsätzlich sind Zeugenaussagen eher unzuverlässige Beweismittel. Oft können sich Zeugen an den genauen Vorgang nicht mehr erinnern, erfinden Dinge dazu, die so nicht passiert sind oder meinen fälschlicherweise, den Angeklagten auf einem Foto wiederzuerkennen. Um dieses Risiko zu minimieren, werden den Zeugen daher meistens mehrere Fotos vorgelegt, die neben dem Angeklagten auch unbeteiligte Personen zeigen.

Im vorliegenden Fall hatte die Revision eines Angeklagten Erfolg, weil die zweifelsfreie Identifizierung durch eine Zeugin gerade nicht möglich war.

Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, abends gemeinsam mit zwei Komplizen in eine DHL-Postfiliale eingebrochen zu sein. Sie sollen entsprechend dem gemeinsamen Tatplan Briefmarken und Postwertzeichen im Gesamtwert von 11.000 Euro entwendet haben. Kurz vor der Tat waren die Männer im Auto Richtung Innenstand unterwegs und dort wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung geblitzt worden. Auch auf dem Rückweg fielen sie in einer allgemeinen Geschwindigkeitskontrolle negativ auf. Die Polizei kam den Männern mit Hilfe der Lichtbilder aus der Geschwindigkeitskontrolle auf die Schliche.

Es müssen Fotos von mehreren Personen vorgelegt werden
Das Landgericht Erfurt war von der Beteiligung der drei Männer auch deswegen überzeugt, weil zwei Zeuginnen zur Tatzeit in unmittelbarer Nähe zum Tatort drei männliche Personen beobachtet hatten. Die Polizei legte den Zeuginnen Lichtbilder aus der Geschwindigkeitskontrolle vor und diese erkannten die Angeklagten darauf angeblich wieder. Das Bild wurde den Zeuginnen allerdings als Einzelbild vorgelegt. Fotos von unbeteiligten Dritten wurden nicht gezeigt.

Den Zeugenangaben kommt deswegen ein wesentlich geringerer Beweiswert zu als dem einer vorschriftsmäßigen Wahllichtbildvorlage. Das Landgericht hatte die Verurteilung des Angeklagten gleichwohl auch auf die Aussagen der Zeuginnen gestützt, da weitere gewichtige Indizien für die Täterschaft des Angeklagten vorlägen. Insbesondere die gemeinsame Hin- und Rückfahrt.

Gericht muss Identifikation auch auf objektive Kriterien stützen
Der BGH stellte nun fest, dass die Annahmen des Landgerichts nicht für eine Verurteilung der Angeklagten genügen. Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung würde die Verurteilung nicht tragen. Denn das Wiedererkennen der Angeklagten auf dem Foto begegne nicht nur im Hinblick auf die fehlende Wahllichtbildvorlage Bedenken. Konnte ein Zeuge eine ihm vorher unbekannte Person nur kurze Zeit beobachten, dürfe sich der Tatrichter nicht ohne weiteres auf die subjektive Gewissheit des Zeugen beim Wiedererkennen verlassen. Das Gericht müsse in diesem Fall aufgrund objektiver Kriterien nachprüfen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen habe. Überdies wurden auch äußere Merkmale des Angeklagten, anhand derer die Zeugen ihn auf dem Foto wiedererkennen konnten, nicht mitgeteilt. Hinzu käme, dass ein anthropologische Sachverständige die Identität des Angeklagten auf dem Blitzer-Foto nicht positiv feststellen konnte.

Ein Fachanwalt für Strafrecht wird sich genau solche Ungewissheiten innerhalb einer Zeugenaussage zu Nutze machen. Sollte der Mandat wider Erwarten trotzdem auf Grund der Identifikation verurteilt werden, steht immer noch der Weg der Revision offen. Rechtsanwalt Dr. Böttner ist seit über zehn Jahren im Revisionsrecht tätig.
Sollten Sie überlegen, ob in Ihrem Fall eine Revision sinnvoll erscheint, können Sie uns gerne kontaktieren.

BGH, Beschluss vom 08.12.2016, Az.: 4 StR 480/16