Strafzumessung beim Diebstahl geringwertiger Sachen

Wer einem anderen eine fremde, bewegliche Sache wegnimmt, um sie für sich oder einen Dritten zu behalten, macht sich nach § 242 StGB wegen Diebstahls strafbar. Es droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Nach § 248a StGB wird der Diebstahl einer geringwertigen Sache nur auf Antrag des Betroffenen verfolgt. „Geringwertig“ sind Sachen, die einen Wert von unter 50 € haben. Doch wird es auch bei der Art und Höhe der verhängten Strafe berücksichtigt, dass lediglich eine Sache mit geringem Wert gestohlen wurde? Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm sagt ganz eindeutig: „Ja!“

Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen des Diebstahls von einem Paket Tabak im Wert von 18,50 Euro in einem Supermarkt zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die dagegen eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht verworfen. Der Angeklagte legte sodann durch seinen Strafverteidiger Revision gegen die Entscheidung ein und hatte vor dem OLG Hamm Erfolg:

„Geringwertigkeit“ der Beute wirkt strafmildernd
Laut OLG Hamm sind die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils lückenhaft und halten deswegen einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Es ist demnach grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters, auf der Grundlage des Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, eine angemessene Strafe zu bestimmen. Dabei hat er alle belastenden und entlastenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Das Landgericht hat bei seiner Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten allein sein „unumwundenes Geständnis“ und das Wiederauffinden der gestohlenen Ware strafmildernd berücksichtigt. Das Gericht hätte sich laut OLG Hamm jedoch auch noch damit befassen müssen, dass es sich bei dem Paket Tabak um eine „geringwertige“ Sache handelt. Wenn der Beutewert – wie hier – die Geringwertigkeitsgrenze des § 248a StGB nicht überschreite, sei eine erneute Berücksichtigung dieses Umstandes im Rahmen der Strafzumessung unerlässlich. Bei der „Geringwertigkeit“ handle es sich um einen schuldmindernden Gesichtspunkt.

Angesichts der im vorliegenden Fall verhängten erheblichen Freiheitsstrafe von sechs Monaten könne das Revisionsgericht nicht ausschließen, dass diese hohe Strafe auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruhe und bei Berücksichtigung der „Geringwertigkeit“ niedriger ausgefallen wäre. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe wäre im vorliegenden Fall nur dann möglich, wenn weitergehende straferschwerende Umstände festgestellt werden würden, die so stark überwiegen, dass dem geringen Wert der Tatbeute nur noch eine untergeordnete Rolle zukäme.

OLG Hamm, Beschluss vom 11.07.2017, Az.: 4 RVs 80/17