Revision: Wann darf die Berufung des Angeklagten verworfen werden?

Das Oberlandesgericht Brandenburg beschäftigte sich jüngst mit einer Entscheidung des Landgerichts Neuruppins, bei dem die Berufung des Angeklagten nach § 329 Abs. 4 StPO verworfen wurde, weil der Angeklagte nicht persönlich erschienen ist.

Der Angeklagte hatte nach einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe Berufung eingelegt. Zu der vom Landgericht anberaumten Hauptverhandlung erschien der Angeklagte nicht. Er war jedoch durch seinen Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsanzeige vertreten. Die Hauptverhandlung wurde schließlich vom Gericht ausgesetzt, weil der Angeklagte – nach Einschätzung des Gerichts – zur Aufklärung der Sozialprognose anwesend sein musste. Aufgrund dessen wurde der Angeklagte zu dem neu anberaumten Termin – drei Monate später – geladen und sein persönliches Erscheinen angeordnet. Der Angeklagte erschien aber erneut nicht. Daraufhin verwarf das Landgericht die Berufung des Angeklagten. Hiergegen richtete sich der Angeklagte mit der Revision.

Das Oberlandesgericht erinnerte in seiner Entscheidung daran, unter welchen engen Voraussetzungen die Berufung eines Angeklagten nach § 329 Abs. 4 StPO verworfen werden darf:

Sofern die Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung, die auf seine Berufung hin durchgeführt wird, trotz der Vertretung durch einen Verteidiger erforderlich ist, hat das Gericht den Angeklagten zunächst zu der Fortsetzung der Hauptverhandlung zu laden und sein persönliches Erscheinen anzuordnen. Sollte der Angeklagte zu diesem Fortsetzungstermin trotz dessen nicht erscheinen, hat das Gericht die Berufung des Angeklagten zu verwerfen.

Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Fortsetzungstermin innerhalb der Frist des § 229 Abs. 1 StPO zu erfolgen hat. Demnach darf die Hauptverhandlung nur bis zu drei Wochen unterbrochen werden. Bei längerer Unterbrechung ist die Hauptverhandlung neu zu beginnen.

So war es auch in dem vorliegenden Fall, bei dem ein neuer Hauptverhandlungstermin erst drei Monate später stattfand. Damit ist der Angeklagte nicht dem Fortsetzungstermin ferngeblieben – wie es § 329 Abs. 4 StPO ausdrücklich fordert – sondern der neu anberaumten Hauptverhandlung. Die Voraussetzzungen für die Verwerfung der Berufung waren folglich nicht erfüllt.

Da die Verwerfungsmöglichkeit der Berufung eine Ausnahmeregelung darstellt, war auch eine Auslegung über den Wortlaut des § 329 Abs. 4 StPO – dahingehend, dass die Berufung auch bei dem Nichterscheinen des Angeklagten zu einem neuen Hauptverhandlungstermin verworfen werden kann – nicht zulässig. Durch die Regelungen des § 329 StPO wollte der Gesetzgeber gerade das Recht des Angeklagten, sich vertreten zu lassen, stärken.  

Das Landgericht verwarf die Berufung des Angeklagten daher zu Unrecht. Das Oberlandesgericht hob die Entscheidung Landgerichts daher auf und es kommt zu einer neuen Verhandlung vor dem Landgericht.

Diese erfolgreiche Revision zeigt, dass auch vermeintlich unscheinbare Fehler des Gerichtes zur Aufhebung einer Entscheidung führen können. Diese Fehler fallen in der Regel erst auf, wenn die Entscheidung durch einen Spezialisten für Revisionsrecht geprüft wurde. Aus diesem Grund lohnt sich immer die Prüfung der Entscheidung durch einen Rechtsanwalt für Revisionsrecht, um sicherzugehen, dass alle Rechtsmittel tatsächlich ausgeschöpft wurden.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 04.04.2019 - (1) 53 Ss 14/19 (17/19)